26.12.2009

65 EUR Villach - Klagenfurt

Ein Husarenstück der ÖBB in Bezug auf Kundenfreundlichkeit wurde mir heute aus meinem Verwandtenkreis zugetragen. Übertriebene Härte eines Kontrollors führte dazu, dass eine einfache Fahrt Villach - Klagenfurt 65 EUR kostete...

Samstag 19.12.2009, Schneefall.

Villach im Schnee. Chaos, weniger Parkplätze, Stau am Bahnhof. Vor den Fahrkartenautomaten bildeten sich Schlangen. Frau Ilse S., außerordentlich seltene Bahnfahrerin mit Pensionistenausweis, beschließt an diesem Tag, ihre Nichte in Klagenfurt zu besuchen, und wird durch das Schneechaos beinhart getroffen. Etwas spät betritt sie daher die Bahnhofshalle, und erkennt, dass ihr die Kolonnenwartezeit vor dem Fahrkartenautomaten eindeutig den Abfahrtszeitpunkt des Zuges unermöglichte.

Klare Entscheidung - ab in den Zug, und den Fahrschein samt Ausgabeaufschlag direkt im Zug beim Schaffner lösen. Logisch, oder!
An der Zugtür eine ungünstige Erkenntnis. "Selbstkontrollzug. Ohne Schaffner. Betreten ohne gültigen Fahrausweis nicht erlaubt.". Frau S. hatte soetwas noch gar nie gesehen, und auch Franz Dampf gibt zu, dass ihm Selbstkontrollzüge bei den ÖBB bislang unbekannt waren.
Frau S. hatte aus ihrer Sicht keine Wahl. Sie wurde in Klagenfurt erwartet, und sah sich daher genötigt, den Zug trotzdem zu benutzen.

Bald nach Abfahrt des 10.50h Zuges erscheint ein Kontrollor in Zivil, und was nun geschah, kann nur als kalte Härte bezeichnet werden. Frau Ilse S. wird umgehend des versuchten Schwarzfahrens bezichtigt, und hat daher - ohne Gnade - den Schwarzfahrerpreis zu bezahlen! Trotz des Erklärungsversuches, wie es zu dieser völlig unbeabsichtigten Schwarzfahrt kam, blieb der Kontrollor hart.

Frau Ilse war völlig eingeschüchtert, und beglich daher die geforderten 65 EUR - anstatt der erwarteten 3,80 EUR Normalfahrpreis für Pensionisten. Harte Sache dachte sie, denn diese Art von Zug kannte sie bislang nicht. Selbstverständlich hätte sie einen Schaffner erwartet, bei welchem sie die Karte gelöst hätte, in diesem Fall auch gerne mit Ausgabeaufschlag im Zug, keine Frage.

Die Kontrollore in Selbstkontrollzügen scheinen binär zu funktionieren. Es gibt nur zwei Zustände: Ja, Fahrschein vorhanden, oder Nein, 65 EUR Kontrollgebühr. Es gibt keine Einschleifregelung für offensichtliche Härtefälle. Juristisch hält das, keine Frage. Bei einer rund 45km langen Strecke würde man sich als Fahrgast jedoch ein gewisses Mindestservice schon erwarten können, und dazu gehört einfach die Möglichkeit, auch im Zug eine Fahrkarte lösen zu können ...

Kontrollore sind Maschinen, Schaffner sind Menschen?

Frau Ilse S. wusste auch gleich ein Positivbeispiel aus dem Sommer zu erzählen, als Sie durch versehentliche Fehlbedienung des Automaten, zwei Karten für Villach - Spittal a. d. Drau gelöst hatte: Einen für Pensionisten, einen für Kinder. Gleicher Preis.

Im Zug fragte sie den Schaffner, ob sie die Kinderkarte für die Rückfahrt von Spittal nach Villach verwenden könne. Der Schaffner bestätigte, dass er dies akzeptieren würde, jedoch am Rück-Zug nicht an Bord wäre, und daher der Kollege die Entscheidung treffen müsse.

Und der Kollege am Rück-Zug sah den Fall ebenso im Sinne des Fahrgastes: Aufgrund des gleichen Fahrpreises akzeptierte er die Fahrkarte, die sowohl für die falsche Fahrtrichtung, als auch für Kinder statt Pensionisten ausgegeben wurde, als gültig.

Dass es auch anders gehen kann, beweist sich die ÖBB in diesem Fall selbst.
Dass bei den ÖBB in den neuen Selbstkontrollzügen Gewohnheiten neu definiert werden, nehmen wir Nase rümpfend zur Kenntnis, auch

Ihr Franz Dampf.

22.12.2009

Triebfahrzeugschaden

Per email habe ich folgenden Bericht eines Passagiers zugesandt bekommen, der gut wiederspiegelt, wie "effizient" mit Stand Dezember 2009 bei den ÖBB bei einem Triebfahrzeugschaden (auf Deutsch gesagt: Lokomotivendefekt) agiert wird.

Kleiner Bericht aus dem OIC754 (Graz Hauptbahnhof => Wien Meidling) vom 20.12.2009:
21:32 - Planmäßige Abfahrt aus Mürzzuschlag, bis dahin alles ok
21:42 - Das Licht im Waggon wird weniger, Heizung fällt aus, der Zug bleibt stehen. Standort auf freier Strecke zwischen Bahnhof Steinhaus & Bahnhof Semmering, neben der S6
21:44 - Durchsage: "Technische Panne, kurzer Aufenthalt"
21:54 - Durchsage: "Unbekannter Aufenthalt" (Dauer ist gemeint)
22.04 - Durchsage: "Triebfahrzeugsschaden, weitere 20-30 Minuten Verzögerung" - Schaffner geht durch und erkundigt sich wo Fahrgäste hinwollen
22.42 - Noch mehr Licht fällt aus, anscheinend nur noch Notbeleuchtung
22.48 - Lok aus Richtung Mürzzuschlag fährt vorbei
22.53 - 1. anderer Personenzug aus Richtung Mürzzuschlag fährt vorbei
22.56 - 2. anderer Personenzug aus Richtung Mürzzuschlag fährt vorbei
23.03 - Nächste Lok aus Richtung Mürzzuschlag fährt vorbei
Anm.: In die Gegenrichtung fuhr während dieser Zeit kein Zug vorbei. Auf freier Strecke in einen funktionierenden Zug umzusteigen, war keine Option. Bei Schnee und Eis wäre das viel zu gefährlich, aber auch im Trockenen, Waggons sind für Bahnsteige gebaut, alles andere wäre gefährliches Klettern. Und wenn hierbei etwas passiert, na dann halleluja.
23.11 - Es gibt wieder Licht
23.17 - Die Weiterfahrt beginnt 73 Minuten nach der letzten Durchsage
23.21 - Gratis warme Getränke wegen der Verspätung
23.23 - Ankunft Bahnhof Semmering - Durchsage: "Aktuell 98 Minuten Verspätung"
23.29 - Jeder Fahrgast erhält Formular vom Schaffner bezüglich Entschädigung
23.38 - Durchsage: "Zug hält außerplanmäßig auch in Felixdorf und Baden"
00.06 - Abfahrt in Wiener Neustadt mit +93
00.39 - Ankunft in Wien MeidlingWeiterfahrt mit Öffis bis auf SBahn praktisch unmöglich, da Wiener Linien / Ubahn um ~00.42 Betriebsschluss hat (bis auf Nightline), und der letzte Ubahn Zug (war nur ganz knapp zu erreichen) ja immer nur verkürzt geführt wird.

Fazit:
  • Triebfahrzeugsschaden mag passieren, dass man jedoch knapp 100 Minuten benötigt um den Zug per Ersatzlok wieder flott zu kriegen, wo der nächste größere Bahnhof (Mürzzuschlag) nur 12 Bahnminuten entfernt ist, ist nicht wirklich verständlich.
  • Entschädigungsformular nützt mir nichts, da ich mit den 25% Rückerstattung des Fahrkartenpreises unter die Auszahlungsgrenze von 4€ komme. => Unannehmlichkeiten habe ich aber die selben wie die anderen Fahrgäste gehabt.
  • Bin froh "nur mehr" wenige Wochen auf die ÖBB angewiesen zu sein, dann auf Individualverkehr umsteigen zu "dürfen"

Franz Dampf interessieren natürlich auch die Hintergründe, wie nun der Zugfahrzeugsersetzungsprozess in einem solchen Fall ablaufen könnte. Zu dieser Frage fand ich ein interessantes Posting einem Forum, mit der Beschreibung des denkbaren Ablaufs. Diesem zufolge wären bis zur Weiterfahrt nach dem TFZ Schaden rund 95 Minuten notwendig.

Den Passagieren kann ich nur wünschen, möglichst nie einen Triebfahrzeugschaden miterleben zu müssen. 1 1/2 Stunden Verzögerung - das ist einfach sehr sehr ärgerlich. Ob man einen TFZ Schaden effizienter abwickeln könnte und wieviele Bereitschafts-TFZs und TFZF (Triebfahrzeugführer) zur Verfügung stehen sollten, darüber darf man sich Gedanken machen.

Faktum ist, dass überall dort, wo zahlende Passagiere an Bord sind, breiter Ärger entsteht, wenn es zu Verzögerungen kommt, und diese ineffizient behandelt werden. Soviel ist sicher, weiß

Ihr Franz Dampf.

21.12.2009

Vereiste Weichen

Da fallen wenige Zentimeter Schnee, und rutscht die Temperatur so tief ab wie in jedem Jahr zumindest einmal. Und zrrack. Schon fallen zig Züge aus, und die restlichen fahren mit großer Verspätung. Durch alle Medien geistert sogleich der Begriff "vereiste Weichen".
Der ÖBB Beschwerde Blog will aufklären und hinterfragen.

Haben Weichen keine Heizung?

Ja, Weichen haben eine Heizung. Diese produziert Schmelzwasser. Dieses rinnt - hmmm - ab? Kann es nicht mehr, sofern es draußen richtig kalt ist, und absolut jede Bodenritze so gefroren ist, dass sich umgehendst Eis bildet. Es entstehen skurille Eisberge, letztlich kleine Eis-Seen, und schließlich Eisplatten, sodass gar nix mehr geht.

Und Straßenbahnweichen?

Straßenbahnweichen haben den Vorteil, dass sie mitten in der Stadt verlaufen. Da gibts bei jeder Weichenheizung auch gleich ein Ablaufröhrdl in den Kanal runter - Problem gelöst.

Schneeverwehungen

Wenn es einen Meter schneit, dann haben die Schienen weniger Problem, als wenn unter großer Kälte Pulverschnee verweht wird. Denn dieser schichtet sich zu harten, kompakten Platten, und gegen diese hat die ÖBB nach 150 Jahren Bahnbetriebs, noch immer nichts erfunden. *heul* - ich hoffe Sie verstehen was ich meine!

Weichenreinigungspersonal

Gefragt sind die Männer mit dem Besen. Eventuell auch noch eine Akku-Flex, um hartnäckigstes Eis hinwegzufegen. Es benötigt einiges an Personal und Zeit, um die Weichen ständig freizuhalten, das will gut koordiniert sein. Koordinieren, tja, da haben wir ja wieder mal den wunden Punkt getroffen. Das geht ja alles nicht so einfach, bei den ÖBB mit den großen Loks und dicken Waggons und langen Blockabschnitten, ...

Warum nur rund um Wien?

Die Weichenstörungen treten hauptsächlich dort auf, wo a) Wind geht b) viele Schienen liegen c) viele Züge fahren d) Züge in einem Kopfbahnhof enden. Weichenstörungen werden Sie daher auf der Südbahnstrecke zwischen Bruck/Mur und Klagenfurt kaum erleben. Denn hier wird in erster Linie geradeaus gefahren, Zug um Zug, und nicht andauernd irgendwelche Weichen gestellt.
Anders hingegen in großen Endbahnhöfen, wie zB dem Wiener Westbahnhof. Hier müssen ständig Weichen gestellt werden, damit jedes Gleis von den vielen Zügern erreicht werden kann. Ständig sind neue Züge zusammenzustellen, hier herrscht also rege Bewegung. Die vielen Weichen sind ständig in Betrieb, und wenn sie vereisen, dann kommt der Bahnhof schlichtweg zum Erliegen. Es bedarf einer ganzen Mannschaft an Weichenräumern, dieses System in Betrieb zu halten.

Fazit
Faktum ist, dass die Lieferanten von Weichen, den Bahnen der Welt offenbar bis heute noch kein zuverlässiges System anbieten konnten, mit welchem ihre Weichen bei Kälte und Schneeverwehung in Betrieb bleiben.

Dieses findet bei 150 Jahren regem, ertragsreichem Bahnbetrieb extrem rückständig

Ihr Franz Dampf.
P.S.: Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod!

Ergänzungen

Aufgrund von Fachgesprächen kann ich nun ein paar Ergänzungen hinzufügen.
Gelegentlich kommt es vor, dass von einem Schienenfahrzeug durch Erschütterungen genau im Bereich einer Weiche, ein Eisbrocken abgeschlagen wird, der in Folge in der umstellenden Weiche eingeklemmt wird. Die Weichenheizung ist nicht imstande, diesen größeren Brocken mal schnell wegzuschmelzen. Hier hilft also nur mehr die manuelle Reinigung durch Streckenpersonal.

Weiters wurde mir bekannt, dass durch die "örtliche Optimierung" der Bauhöfe, die Arbeitskräfte welche die Weichen manuell reinigen können, nicht mehr gut verteilt zur Verfügung stehen. Sondern nun zum größeren Teil eine beträchtliche Anreisezeit haben. Was mit ein Grund ist, warum eingefrorene Weichen nun umso stärker auffallen, weil es locker mal 45 Minuten braucht - oder auch länger - bis der Reinigungstrupp vor Ort ist.

Bravo, ÖBB. Könnte man nun sagen. Zu Recht?

Wortmeldung in einem Forum
(Hinzugefügt 22.12.2009, 15:35)

Sehr interessante Informationen zum Thema kaputte Weichen fand ich in einem österreichischen Bahnforum. Diesemzufolge sind die zahlreichen Probleme mit den Weichen in den letzten Jahren durch die neue Technik, sowie die Art, wie die ÖBB Personal bereitstellt, stark angestiegen. "Früher" hätte es das niemals gegeben.

Trotz intensiver Anforderungen sämtlicher Knotenbahnhöfe ab 3 Uhr früh wären demzufolge bis 6 Uhr 30 gerade mal 2 Weichenreiniger/Kehrer eingetroffen. Die Wetterlage ab 3 Uhr früh bestand aus Schneetreiben bei -12°C, was die Vereisung von Weichen besonders begünstigt.

Die modernen Hydrolinkweichen versagten auf unterschiedliche Weise. Einerseits kam es zu Problemen mit den Hydropumpen, andererseits versagte der Endlagenprüfer, der korrektes Umstellen der Weiche rückmeldet, bereits bei geringem Schneewiderstand. Durch die flächige Verwendung dieses Weichentyps in den modernisierten Bahnhöfen konnte ohne manuelle Kehrhilfe keine einzige Fahrstrasse mehr gestellt werden.

Auf Bahnhöfen mit mechanischen Weichen, oder bewährten älteren Weichen, gab es wesentlich weniger Probleme. Vor 15 Jahren gab es bei diesen Wettersituationen im Bahnbereich keine nennenswerten Probleme, die Bahn war gegenüber dem Straßenverkehr klar im Vorteil. Das hat sich nun gründlich geändert - zum Negativen für die Bahn.

Die meinem Empfinden nach größere Katastrophe als das technische Problem mit den Weichen betrifft jedoch die Situation mit den Weichenreinigern. Diese Mitarbeiter, die bei solchen Bedingungen unverzichtbar sind, und das Rückgrat eines trotzdem funktionierenden Bahnbetriebs darstellen, wurden nun offenbar neu organisiert, und finden sich im System tiefster Ineffizienz an zentraler Stelle wieder ...
Ein absolut trauriges Beispiel für "Personaloptimierung", meint

Ihr Franz Dampf.