07.01.2010

Bahnübergang 2.0

Ein großes Ärgernis der Eisenbahnen auf vermutlich der ganzen Welt, sind die Bahnübergänge. Und auch hier gilt dasselbe wie für viele andere Bereiche rund um das Thema "Zug": Der Fortschritt hat Halt gemacht. Vor vielen, vielen Jahren schon. Denn viele viele Jahre lang, mussten Autofahrer Ewigkeiten sinnlos vor geschlossenen Bahnschranken ver-stehen.

Wieso eigentlich?
Ja fragen sie das halt mal einen Eisenbahner. Er wird es ihnen in aller Ausführlichkeit überzeugend erklären können - oder es zumindest versuchen. Er wird von Bahnabschnitten sprechen, und wenn in einen Abschnitt ein Zug einfährt, dann müssen alle Schranken dieses Abschnitts geschlossen sein. Punkt! Egal, wie lange dieser Abschnitt nun ist, es können 2km sein, es können aber auch 10km sein. Ein Bummelzug braucht ganz schön lange, bis er seine 10km bewältigt - nämlich so lange, wie sie dann vor diesem Bahnschranken verbringen und nach der Reihe alle Farben bekommen, und knapp bevor sie selber zu dampfen beginnen, dampft der Zug endlich vorbei.

Und dann - wie herrlich - Schranken auf? Hmm. Nicht immer. Er könnte auch gleich geschlossen bleiben. Stichwort "Gegenzug"! Hahahaahahhaa :-)

Was meinen Sie: Kommt man angesichts dieses Schrankendramas nicht auf böswillige Gedanken? Z.b. dem böswilligen queren trotz geschlossenen Schrankens? Ach ja, 15 Tote pro Jahr in Österreich bei Schrankenunfällen. Nur 15 Tote pro Jahr? Da gibts gefährlicheres, z.B. 6.000 jährliche Grippetote...

Auch Autofahrer hazardieren regelmäßig. Bei Rot und noch offenem Schranken wird schnell drübergehuscht über den Bahnübergang. Lieber ein 70 EUR Mandat riskieren als eine unnütze - hmmm - 7 minütige(?) Wartezeit zu riskieren? Das ist ganz normal! Wie sich Franz Dampf sicher ist. Er fährt schließlich selber mit dem Auto durch die Gegend, wenn er nicht grad pendelt. Machen wir uns nichts vor, Rot beim Bahnübergang ist durch Vollgas zu vermeiden, wann immer möglich.

Bahnübergang 2.0
In der heutigen modernen Zeit hat sich das "2.0" als Synonym für überarbeitete, weitergedachte Technik etabliert. Zum Beispiel Web 2.0. Facebook. Aber - Bahn 2.0? Weit gefehlt. Franz Dampf hat sich Gedanken zum Bahnübergang 2.0 gemacht. Zum harmonischen Idealzustand, wie es aussehen könnte, wie ein von querenden Verkehrsteilnehmern akzeptierter Bahnübergang mit heute gängigen Techniken gebaut werden könnte.

Der Bahnübergang 2.0 arbeitet streng zusammen mit dem noch nicht existierenden Zug Positionsmeldesystem 2.0, bei welchem ein Rechner genaue Informationen darüber hat, wo sich ein Zug befindet, und wie lang dieser ist. Dazu müssten Loks mit einem GPS und GSM ähnlichen System ausgerüstet sein, und ständig ihre Positionen bekanntgeben. Falls Sie den Begriff Google Latitude schon mal gehört haben, dann wissen Sie, dass das mit Menschen und einem Handy bereits seit Jahren funktioniert. Aber mit Zügen? Weit gefehlt.

Der Bahnübergang erfährt nun, dass in zwei Minuten ein Zug kommen wird. In jede Richtung informiert ein großes Display. Hier ist nun abzulesen: "Zug in 120 Sekunden". Und der Countdown läuft. Bei "Zug in 70 Sekunden" leuchtet die Ampel gelb. Bei 60 Sekunden rot, und die Schranken schließen. 57, 56, 55.

Information = Zufriedenheit
Alle sind informiert. Autofahrer und Fussgänger wissen: Aha, noch 51 Sekunden. Das geht! Der Countdown wirkt kurzweilig, nahezu unterhaltsam. Volle Information. Und vor allem: Es sind nicht diese 6 Minuten. Sondern es ist eine Minute. Countdown geht auf 0, Zug fährt durch, Schranken auf, danke, ganz lieb.

Critical Error
Doch betrachten wir nun den kritischen Fall. Das Fahrzeug, das trotzdem auf die Schienen fährt, als sich der Balken bereits senkte.

Haben Sie vor Ihrer Haustür auch so ein Hoflicht, das sich automatisch einschaltet, wenn jemand vorbeigeht? Mit Bewegungsmelder also? Ja, sowas hat dieser Bahnübergang auch. Er meldet dem Aufseher durch einen Signalton, wenn sich nach Rot am Bahnübergang noch etwas bewegt.

Die Überwachungskamera samt der Datenleitung zur Streckenaufsicht ermöglicht es nun einem Bahnbeamten, den Schrankenbereich einzusehen. Der Beamte kann nun erkennen, um welcher Art Problem es sich handelt.
Ein Fahrzeug, das eingeschlossen ist? Na dann, umgehend Schranken 2 fernelektronisch-manuell wieder öffnen, damit das Fahrzeug den Übergangsbereich verlassen kann. Lautsprecher ermöglichen die Durchsage: "Verlassen Sie umgehend den Bahnübergang!". Ein Fotoapparat knippst die Szene samt Kennzeichen, die Anzeige bleibt in diesem Fall garantiert nicht aus.

Fussgeher, die glauben dass sie besonders cool sind, wenn sie den Übergang 34 Sekunden vorm Zug passieren, werden ebenso fotografiert und mit einem netten Gedicht durch den Lautsprecher gelobt. Anmerkung: Das ist natürlich das Horrorszenario für die Bahn: Fussgänger die glauben, dass sie 15 Sekunden vorm Zug queren können, und auf den Schienen stolpern... aber das gibts heute leider auch schon.

Sollte sich die Situation, die nach Schließen des Schrankens entstand, durch das blockierende Fahrzeug, nicht auflösen lassen, stoppt die Aufsichtsperson den herannahenden Zug. Bereits beim Erkennen des Problems bei Sekunde 56, leitete der Lokführer, informiert durch die Bahnübergangsaufsichtsperson, eine Reduktion der Geschwindigkeit ein, sicher ist sicher. Bei Sekunde 40, also bei Erkenntnis dass es sich wohl nicht mehr ausgehen kann, wird die Vollbremsung des Zuges ferngesteuert durch den Aufseher eingeleitet. Die 40 Sekunden Bremszeit reichen für den Stillstand vor dem Bahnschranken aus. In diesem Extremfall gespart: Eine Lok, ein Fahrzeug, und vielleicht ein Menschenleben. Möglicherweise auch mehrere Verletzte. Und stellen sie sich gleich mal einen Viehtransporter vor...

Gehen wir von der Positivannahme aus. Der Zug passierte den Bahnübergang mit dem Countdownwert = 0. Freude in den Gesichtern, der Zug war pünktlich, man wartete eine Minute, nach dem Zug öffnet sich der Schranken wieder.

Es sei denn, der Gegenzug ist nun im Anrollen. In diesem Fall läuft bereits wieder der Countdown: 42, 41, 40, 39 .... wunderbar. Jeder ist gut informiert. Die Autofahrer schreiben die begonnene SMS fertig, die Fussgeher grunzen zwar kurz, zeigen sich jedoch informierterweise wohlwollend, und nach 50 Sekunden und einem Zug öffnen sich die Schranken wieder.

Ach wie nett. Bahnübergang 2.0. Inklusive gut lesbarem Display, Gelb bei 70s, Rot bei 60s, Schranken bei 55s, überwacht durch Menschen, Lautsprecher zur Kommunikation, Beweisfotos im Übertretungsfalle hochauflösend, Wartezeit im Normalfall 1 Minute + Zuglänge, ich denke das wäre verständnisvolle Harmonie zwischen den sehr verschiedenen Tieren namens Individualverkehr und Zugsverkehr. Und das alles auf einer Ebene, ohne teure, platzfressende, Kosten verschlingende Unterführungen.

Die Probleme
Eisenbahner könnten nun aufgrund dieses Textes vermutlich gleich zig Vorschriften aufzählen, warum es den Bahnübergang 2.0 nicht geben kann oder darf. Die Vorkriegsvorschriften erlauben schließlich keine moderne Elektroniktechnik, wie Sie vielleicht schon mitbekommen haben.

Erstens die Ausfallsicherheit, und im Falle des Ausfalls, die Fallback Möglichkeiten. Zunächst mal - der Strom könnte ausfallen. Das kann er heute auch schon, und es gab auch bereits Unfälle, weil ein Schranken offenblieb. Das kann leider nicht unterbunden werden.

Zweitens das Zugpositionssystem. Unmoderne Fahrzeuge können nicht rückmelden. In diesem Fall könnte der Lokführer per Funk bei Erreichen eines Meldepunktes mitteilen, dass der Schranken nun geschlossen werden muss. Der Schranken wird durch den Aufseher geschlossen und videoüberwacht.

Drittens der Aufseher. Krank, gerade am WC, oder weiß ich was. Na ja, dann halt zwei Aufseher pro Strecke. Eine Strecke = 7 Bahnschranken, als Beispiel. Könnten je nach Zugdichte auch mehr oder weniger sein, das wäre noch zu berechnen. Als Variante wäre auch ein Quittierungstaster des Aufsehers 120 Sekunden vor Bahnübergang zweckdienlich. Wenn niemand zusieht, werden umgehend die Schrankenzeiten auf 90 Sekunden erhöht, als Beispiel.

Viertens, Kamera ausgefallen. In diesem Fall werden die Intervalle auf 90 Sekunden erhöht, und der Zug muss den Übergang mit reduzierter Geschwindigkeit passieren.

Fünftens, Lautsprecher oder Fotoapparat ausgefallen. Das wäre schlecht, aber kein Grund etwas am Betrieb dramatisch zu ändern.

Sechstens, Datenleitungen für Display, Kamera und Lautsprecher ausgefallen: In diesem Fall wird der Bahnübergang zum Typus 1.0 degradiert. Ampel und Schranken mit reichlich Vorlaufzeit, so wie seit vielen vielen Jahren eben üblich...

Stückliste
Sie sehen, ein Bahnübergang 2.0 ist gar nicht so einfach zu machen. Man benötigt neben den üblichen Einrichtungen wie Schranken und Ampeln eine Datenleitung (welche die ÖBB entlang fast jeder Strecke ohnehin bereits verlegt hat), etwa 2 Webcams, etwa 2 digitale Fotoapparate, 2 Lautsprecher, 2 Bewegungsmelder, sowie zwei Displays.

Moment mal - das haben sie alles auch zu Hause? Zwei Webcams? Ach so, eine im Notebook integriert. Datenleitung - klar, Internet. Handycams, Lautsprecher, und vor der Haustür einen Bewegungsmelder. Sprechen wir mit dem Bahnübergang 2.0 nun überhaupt von Hi Tech? Das ist doch Present Tech. Die Technik der Gegenwart!
Stimmt, Sie haben mich überzeugt.

Bahnübergang 2.0 als Light-Version
Es gibt auch noch die "Light"-Version für unbeschrankte Bahnübergänge. Kennen Sie die Dinger im Freiland, vorzugsweise bei schwach befahrenen Strecken mit den Stop-Tafeln? Ja, die sind gemeint.
Diese zeigen in Version 2.0 anstatt der ewigen Stop Tafel meistens eine grüne Fläche an, später den Text "Zug in 35 Sekunden", darunter ein STOP Schild. Das würden die Autofahrer als nett und informativ empfinden, und man wäre stolz auf die moderne Bahn in Mitteleuropa, und "dass die was machen", das weiß

Ihr
Franz Dampf

P.S.: Ein interessanter Link zu diesem Thema: BMVIT unendlich langsam bei Entwurf zu Eisenbahnkreuzungs-Verordnung

P.P.S.: Und so sieht das BMVIT, das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie den neuen Bahnübergang. Ich nenne ihn mal Bahnübergang 1.01: http://www.bmvit.gv.at/presse/aktuell/nvm/2009/1203OTS0148.html

2 Kommentare:

  1. Der ganze Artikel zeugt leider von sehr viel Unwissen im Bereich Eisenbahnsicherungstechnik und im speziellen im Bereich der Eisenbahnkreuzungen. Moderne Elektronik ist schon lange Standard bei Neuanlagen, genauso wie optimierte positionierte Einschaltstellen, die lange Sperrzeiten für den Straßenverkehr vermeiden. Bei der in Sicherungstechnik üblichen Lebensdauer der Systeme von 25-30 Jahren und den Investitionskosten für Neuanlagen dauert es halt noch ein wenig bis alle Altsysteme getauscht wurden. Ich würde noch viele weitere Zeilen benötigen um auf die ganzen Unwahrheiten und Binsenweisenheiten in diesem Artikel einzugehen. Anstatt rate ich, sich besser zu diesem Thema zu informieren, bevor man solche Binsenweisheiten von sich gibt.

    AntwortenLöschen
  2. Sehr geehrte/r ltr, herzlichen Dank für Ihren Kommentar, aber geizen Sie doch bitte nicht mit Ausführlichkeit. Haben die neuen, modernen Bahnübergänge Anzeigen mit Countdown? Wie unterhalten sie die Wartenden? Falls ein vergleichbares System wie bei den Wiener Linien zum Einsatz kommt "Nächster Bus in 3 Minuten", dann teilen Sie dieses Wissen doch mit uns.
    Herzlichst,
    Ihr Franz Dampf

    AntwortenLöschen

Versuchen Sie, mit Ihrem Kommentar fair und sachlich zu bleiben und unterlassen Sie persönliche Beleidigungen. Kommentare werden nach Prüfung durch den Administrator veröffentlicht.